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3. Kapitel (J)

„Elli muß meiner Meinung nach schon diesen Herbst in die Schule … meiner Meinung nach ist es jetzt nicht mehr zu vermeiden … wenn sie für immer hier zu Hause bleibt, lernt sie nie menschliche Manieren. Hast du gesehen, wie sie sich im Beisein der Gäste verhalten hat … man muß sich für sie schämen, und wir werden sehen, ob man sie noch ändern kann. Aber man muß sein Bestes versuchen!“ „An welche Schule dachtest du …“ „Wenn genug Geld da wäre, würde ich sie in das gleiche Pensionat schicken, in dem Tyyra ist, aber das wird zu teuer. Aber ich habe gedacht – und August war der gleichen Meinung –, daß es angebracht wäre, Elli in die schwedische Schule der Stadt zu schicken, wo beinahe nach der gleichen Methode unterrichtet wird wie in der Hauptstadt. Und ich finde, daß es eine gute Methode ist.“ „Aber ist sie denn so gut?“ „Warum sollte sie es nicht sein?“ „Ja, ich weiß ja nicht mehr als das, was ich gesehen habe. Es gefiel mir nicht sehr – ich weiß nicht, ob es die Schuld der Schule o...

3. Kapitel (I)

„Sie werden dort im Pensionat in jeder Hinsicht so gut erzogen“, sagten die Eltern. Und ihre Tochter wurde dadurch immer höflicher, so sehr, daß ihre Mutter ihr schließlich sagen mußte, sie sollte auch an sich denken und nicht nur an andere. Nach ein paar Tagen reisten die Gäste wieder ab, und Elli war zutiefst erleichtert, als sie Lebewohl gesagt hatten, in ihrem Wagen saßen und die fremde Dame sie nicht küssen wollte. Der Vater ging um den Wagen herum, schloß selbst die Kutschentüren und begleitete ihn bis zur Pforte. Und Elli hörte, wie er zu dem fremden Mädchen sagte, daß er hoffe, sie habe sich nicht zu sehr gelangweilt, obwohl ihr eine passende Kameradin gefehlt hatte. Die Gäste hatten noch nicht einmal die Landstraße erreicht, da rannte Elli schon an den Strand, setzte sich ins Boot und ließ das Wasser mit dem Ruder hoch aufspritzen, fast höher als das Dach des Schuppens. Und erst da wurde ihr richtig bewußt, daß die Gäste gegangen waren. Nachdem der Vater die Pforte geschlo...

3. Kapitel (H)

Die beiden Mädchen wurden nicht die besten Freundinnen, obwohl der Vater in den Tagen, die die Gäste in seinem Haus verbrachten, alles versuchte, sie zusammenzubringen. Nach der Meinung des Vaters war das fremde Mädchen ein Beispiel für ein gut erzogenes Kind und seine eigene Tochter für ein schlecht erzogenes. Das trat immer deutlicher zutage. Die eine verhielt sich liebenswürdig, von der anderen konnte man gar nicht sagen, daß sie sich überhaupt verhielt … sie war einfach nur da, mürrisch, und antwortete kaum darauf, was man sie fragte, wohingegen das fremde Kind sich an Gesprächen beteiligte und immer bereit war zu antworten. Vor allem am Eßtisch zeigte sich der Unterschied. Man brauchte kaum noch eine Dienerin bei Tisch. Tyyra merkte, wenn jemand, vor allem der Vater oder die Mutter, kein Brot mehr hatte, und gab es ihnen, gemeinsam mit Butter, Käse oder Lachs. Der Vater lobte sie, als es alle hörten, und befahl Elli, sich ein Beispiel an ihr zu nehmen.

3. Kapitel (G)

Als sie nebenan die Tassen auf das Tablett stellte, sah sie Elli und das fremde Mädchen in der Kutsche. Das Mädchen zeigte Elli seine Puppe, aber Elli wirkte nicht sehr interessiert … sie sah abwechselnd das Mädchen und die Puppe an und schien beide seltsam zu finden. „Heißt du Tyyra?“ fragte sie plötzlich. „Ich heiße Tyyra Hedvig.“ „Deine Mutter hat dich doch anders genannt … wie hat sie dich genannt?“ „Schätzchen? Meinst du das? Das sagt Mutter immer zu mir, weil ich so ein braves Mädchen bin.“ „Was sagt sie denn, wenn du ungezogen bist?“ „Ich bin nie ungezogen … Die Lehrerin in der Schule sagt, ich sei das beste Mädchen in der ganzen Klasse … ich bin der Primus …“ „Was ist das?“ „Weißt du nicht, was ein Primus ist? Warst du nie in der Schule?“ „Nein …“ „Oh, oh, das ist aber traurig … Gehen wir den Garten und pflücken Blumen für Aini … habt ihr Rosen? Aini liebt Rosen …“ „Wir haben keine Rosen … du kannst Erbsenblüten haben, wenn du willst.“ „Die gefallen Aini nicht …“ „...

3. Kapitel (F)

Und die Dame lächelte noch mehr, und als das Mädchen hinausgegangen war und der Vater Elli befohlen hatte, mitzugehen, konnte sie es sich nicht verkneifen, noch einmal das Gleiche zu erzählen – daß es ganz eigenartig sei, zu sehen, daß Tyyra ihre Puppe keinen Moment vergessen habe, sie kümmerte sich um sie, zog sie an und aus, befahl ihr, still zu sein, damit ihr Kindermädchen nicht aufwachte … „Du hast eine sehr nette kleine Tochter“, sagte der Vater zu seinem alten Schulfreund. Tyyra war ihr einziges Kind, sagte der Herr und die Dame … sie konnten sich keinen Augenblick von ihr trennen .. sie nahmen sie immer mit, wenn sie wegfuhren … doch sobald sie nach Hause kamen, mußten sie sich von ihr trennen, denn Tyyra mußte wieder zur Schule … und sie waren trauriger als das Kind selbst. „Ach … die Herrschaften lassen ihre Tochter in die Schule gehen?“ fragte die Mutter. „Ja, das ist doch notwendig. Wir haben beschlossen, unserem Kind die vollkommenste Erziehung zuteil werden zu lassen,...

3. Kapitel (E)

Auch die Mutter kam herein und setzte sich an den Rand der Veranda. „Das ist unsere Tochter … Elli, warum stehst du da in der Tür?“ Elli ging den Gästen die Hand geben. „Guten Tag, kleine Elli, wie geht es dir? Nun? Möchtest du keinen Kuß?“ Elli hatte den Kopf weggezogen, als die fremde Dame sie küssen wollte. „Sie ist so schüchtern, sie sieht ja so selten Fremde“, erklärte die Mutter verlegen und sah den Vater an, der sie wiederum unzufrieden anschaute. „Wie alt bist du?“ fragte die fremde Dame Elli. „Ich weiß nicht.“ „So darfst du nicht antworten, Elli“, ermahnte sie der Vater. „Du mußt sagen: Danke für die Frage, liebe Tante, ich bin elf Jahre alt.“ Aber da Elli so etwas noch nie gesagt hatte, tat sie es auch jetzt nicht. „Wie alt ist die Tochter der Herrschaften?“ beeilte sich die Mutter zu fragen. „Sag jetzt, wie alt du bist, mein Schätzchen.“ „Elf Jahre, Mutter.“ „Dann sind sie gleich alt … Ihre Tochter ist doch auch elf …?“ Wieder beeilte sich die Mutter zu sagen, ...

3. Kapitel (D)

„Wer sind die Leute?“ „Der Herr ist ein alter Bekannter von Papa.“ Mehr konnte die Mutter nicht sagen. Aber der Kutscher hatte die Frage gehört und erklärte, daß der Herr Propst in einer größeren Gemeinde sei als dieser und daß sie außerdem feine Leute seien. Sie waren bestimmt vornehm, denn sie hatten einen eigenen Kutscher. Elli sah zu, wie die Pferde abgeschirrt wurden, sie sah seltsame Gespanne und einen Wagen, dessen Sitze so weich waren wie ein Sofa. Sie ging um die Kutsche herum und machte dabei seltsame Schritte, wobei der Wagen ein wenig schaukelte. Elli versuchte, noch höher zu hüpfen, doch da hörte sie, wie jemand in der Tür der Veranda erschien, und sprang beinahe erschrocken zur Seite. Der Vater eilte wieder nach draußen, hochrot im Gesicht und rief dem Kutscher zu, er solle die Sachen der Herrschaften ins Zimmer bringen. Dann entdeckte er Elli und befahl ihr, ins Haus zu kommen. „Schnell, Elli, hinein mit dir … was stehst du hier herum … da ist ein kleines Mädchen, ...