„Hast du heute schon viele Kleider zerrissen, Elli?“ fragte der Vater manchmal.
„Kein einziges.“
„Und hast du nicht im Baum gesessen und ,Kuckuckʻ gerufen?“
„Nein.“
„Unsere Elli ist mit den Vögeln verwandt … wenn sie nur Flügel hätte … aber vielleicht wachsen die ja noch!“
Die Gäste lachten mit dem Vater, aber die Mutter sah, daß dem Mädchen die Gesichtszüge einfroren.
„Es ist doch ein Vogel … ein Kuckuck … er sitzt in der Baumkrone und ruft ,Kuckuckʻ, so daß man in der Gemeinde fragt, ob das ein echter Kuckuck ist. Ruf mal ,Kuckuckʻ, damit unsere Gäste es auch hören. Und gib den Brotkorb her, Elli!“
Aber Elli rührte sich nicht.
„Elli, gib Vater den Brotkorb“, sagte die Mutter.
Doch Elli starrte nur reglos auf ihren leeren Teller.
„Elli? Was hat das zu bedeuten?“
„Raus mit dir, Elli!“ befahl die Mutter und gab dem Vater den Brotkorb.
Elli stand auf, aber dabei kippte sie ihren Stuhl um, so daß er unsanft auf dem Rücken landete, und die Mutter war nicht sicher, ob es aus Versehen passiert war oder ob sie ihn mit Absicht umgestoßen hatte. Doch der Vater war so wütend, daß er sich kaum verkneifen konnte, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, als wäre alles dessen Schuld. Die Gäste waren verlegen und wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten.
Nachdem der Besuch gegangen war, ging die Mutter in das Zimmer des Vaters. Er marschierte dort auf und ab und zog grimmig an seiner Pfeife.
Mittwoch, 11. Oktober 2023
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5. Kapitel (G)
Und abends beim Schlafengehen, als der Vater schon gegangen war, bekam Elli, die in den kalten fremden Laken lag, eine solche Sehnsucht nach...
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Der Vater tadelte sie wegen des zerrissenen Kleides, aber die Mutter war beinahe zufrieden, als sie sah, daß es Elli nichts ausmachte. Doch ...
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Die ganze Zeit über, in der sie Richtung Stadt fuhren, hatte Elli ein Bild im Kopf, das sich ihr eingeprägt hatte. Je näher das Schiff der S...
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„Sie erträgt es nicht, daß du sie immer tadelst … du mußt damit aufhören …“ „Sie muß es ertragen! So eine Frechheit! Oder ist dieses Benehm...
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