Donnerstag, 5. Oktober 2023

1. Kapitel (I)

Aber der Junge ging nicht … er sah mit offenem Mund in den Baum hinauf, während das Mädchen von einem Ast zum nächsten kletterte, immer höher in die Baumkrone und erst innehielt, als der Stamm ins Wanken geriet. Doch dort teilte er sich in zwei Äste, und Elli setzte sich unter einem Dach aus Blättern in die Astgabel. Fast hätte sie in ihrem Herzen gekichert. Jetzt endlich! … Und in einem so guten Versteck! … Und trotzdem sah sie durch die Blätter jeden Zweig … aber niemand würde sie sehen, wenn sie nicht wieder abstieg … Da unten waren die Felder … und auch die Landstraße war deutlich zu sehen … Viel höher als das Dach des Hauses … oh, oh! … Sie schaukelte ein wenig, und das Laub rauschte so schön in den Ohren! … Es war so herrlich, daß sie noch gar nicht richtig daran denken konnte. Und hin und wieder liefen ihr wohlige Schauer über den Rücken, und ihre Wangen kribbelten …
Aber derweil stand der Junge unten und schaute immer noch nach oben. „Laß das, Mädchen, komm schon runter … was machst du da?“
Aber das Mädchen hörte nichts.
„Ich nehme das Gestell weg, dann kannst du nicht mehr runter!“
Aber Elli hörte auch das nicht. Sie konnte so sitzen, daß sie sich nicht einmal festhalten mußte. Aber sie hielt sich trotzdem fest und lehnte sich zurück, so weit die Arme reichten und so weit, daß sie zwischen den Blättern den blauen Himmel über sich sah … und dann nach vorn, aber da hielt sie sich mit beiden Armen fest.
Dann kam die Mutter über den Hof und sah den fremden Jungen im Garten.
„Junge, was machst du hier im Garten? Was siehst du dir an?“
„Da ist ein Mädchen in der Birke …“
„Was für ein Mädchen?“
„Ich glaube, das Mädchen aus diesem Haus … sie ist nach oben geklettert ...“

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5. Kapitel (G)

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